Die Jungsteinzeit

Ein Arbeitslager macht vor- und frühgeschichtliche Ausgrabungen 1933 deckten Mitglieder des freiwilligen Arbeitsdienstes, der mit der Helm­bachregulierung beschäftigt war, die Feuerstelle auf. Der aktuellen Wertschät­zung »germanischer« Bodenfunde entsprechend, brachte die »Glocke am Sonn­tag« einen dreispaltigen Bericht:

Ein Bericht über die vorläufigen Ergebnisse von Junglehrer Willi Dege, z. Zt. Freiwilliger im Arbeitslager Sendenhorst

... Etwa 50-70 cm unter der Erdoberfläche stießen wir auf grünlich-braune schwere Schlacke von eisenhaltigem Sand und darauf Holzkohlestückchen, Kno­chensplitter und ein wunderbar gearbeitetes Steinbeil mit vierkantigem Rücken. Alle Funde waren mit einer tonigen Schlammschicht überdeckt, ein Zeichen dafür, daß die Feuerstelle durch ein Hochwasser zerstört worden war Das bewiesen auch zahlreiche Holzkohlestückchen und Knochenreste, die ein Stück weiter abge­lagert waren. Unter diesen Knochenresten befand sich auch ein bearbeitetes Stück von 15 cm Länge, es war an einem Ende spitz, am anderen Ende zu einem Knoten zugeschnitten und hat unseren Steinzeitvorfahren sicher als Pfriem beim Nähen ihrer Fellkleidung gedient.

Die Helmbachfeuerstelle ist ein Zufallsfund, der außer der gesicherten Tatsa­che der Anwesenheit von Menschen wenig aussagt. Wir wissen nicht, ob Horden Sendenhorster Gebiet regelmäßig durchquerten, welche Jagdbeute sie machten, ob der Rastplatz am Helmbach ein flüchtiges Tages- oder ein dauerhafteres Som­merquartier war.

12

Jungsteinzeit — der Mensch wird seßhaft

Die Einführung von Ackerbau und Viehzucht war die umwälzendste, folgen­reichste Veränderung in der Geschichte der älteren Menschheit. Der Mensch war nicht länger von den Zufälligkeiten der Jagd- oder Sammelbeute abhängig. Er wur­de seßhaft, errichtete feste Gebäude, lernte, Vorratswirtschaft zu betreiben, Ton zu verarbeiten und Kleidung aus Wolle oder Flachs herzustellen.Angefangen hat diese neue Lebensweise vor 8.000 Jahren in Vorderasien und Ägypten. Erst 2.000 Jahr später lebte in Mitteleuropa ein bodenständiges Bauerntum, die nach den bandför­mig verzierten Tongefäßen benannten »Bandkeramiker«. In Westfalen haben die Bodenforscher in den letzten Jahrzehnten mehrere Wohnplätze der Bandkeramiker entdeckt, ausschließlich auf den fruchtbaren Lösböden des Hellwegs und der War­burger Börde. Das Münsterland, und damit auch der Sendenhorster Raum, blieb zunächst siedlungsleer. Lange Zeit war die Lippe Trennlinie zwischen zwei unter­schiedlichen Kulturen: jenseits des Flusses, in der Soester Börde, seßhafte Acker­bauern, diesseits, im Münsterland. nomadisierende Jäger und Sammler'.

Im 3. Jahrtausend vor Christus breitete sich mit der sogenannten Trichterbecher­kultur (genannt nach ihren trichterförmigen Tongefäßen) das Bauerntum im Mün­sterland aus. Der Sendenhorster Raum scheint jedoch noch gemieden worden zu sein. Nicht Bodenqualität und hohe Erträge, sondern eine leichte Bearbeitung war für die Standortwahl der ersten Siedlungen maßgebend. Und so häufen sich die Siedlungsfunde im westlichen Münsterland, auf den podsolierten Quarzsandböden und auf den trockenen und schwach lehmigen Sandböden. Das Kernmünsterland blieb bis heute fundleer und damit vermutlich in der Jungsteinzeit siedlungsleer4. Jedoch ist zu bedenken, daß dieses Bild durch Bodenfunde korrigiert werden kann. Unumstößliche Feststellungen sind in der vorgeschichtlichen Bodenkunde nicht zu treffen. Aussagen haben nur einen hohen Wahrscheinlichkeitswert. Überraschende

So könnte der bronzezeitliche Friedhof »Martiniring« zur Zeit seiner Belegung 500 v. Chr. ausgesehen haben (Rekonstruktion jüngerbronzezeitlicher Grabmonumente.

13

Funde können das Bild korrigieren. Aber nicht jeder Lesefund einer Waffe, eines Werkzeugs ist schon ein Beleg für eine steinzeitliche Siedlung.

Obwohl es seither keine Eiszeit mehr gab, schwankte das Klima doch immer wieder in größeren Zeitabständen. Die Wissenschaftler haben den verschiedenen Klimastufen Namen gegeben: Dem warmen, trockenen Boreal (6000-4000 v. Chr.) folgten 2.000 Jahre mit einem warmen, aber feuchten Klima. In den fol­genden 1.000 Jahren wurde es zunehmend kühler und trockener. Um 1000 v. Chr. setzte schließlich die Periode des Subatlantikum ein. Es wurde kühl, feucht, ungünstig und unwirtlich für menschliche Siedlungen. Ausgerechnet in dieser un­günstigen, unterkühlten Klimaperiode entschlossen sich Menschen, im Raum Sendenhorst zu siedeln. Die klimatischen Voraussetzungen waren ungünstig, der schwere Sendenhorster Boden nur mit viel Mühe zu bearbeiten. Aber die Siedler hatten keine andere Wahl. Um 800-600 v. Chr., in der ausgehenden Bronzezeit und beginnenden Eisenzeit, waren die Wohnplätze erster Ordnung längst belegt. Seit der älteren Bronzezeit, seit ungefähr 1700 v. Chr., siedelten Menschen auf den hochwassersicheren Uferstreifen der Ems zwischen Telgte und Warendorf. Die leichten Sandböden im Westen Alberslohs, in der Hohen Wardt, wurden be­reits seit tausend Jahren bearbeitet5. Weil die Bevölkerung wuchs, mußten sich die Menschen für weitere Siedelplätze mit weniger günstigen Standorten zufrie­den geben, nicht mehr unbedingt hoch- oder grundwassergeschützt, nicht mehr in unmittelbarer Nähe von Bach- oder Flußläufen, aber trotzdem mit dem vorhande­nen Werkzeug noch zu bearbeiten. Der Kiesrücken zwischen Greven, Münster, Sendenhorst und Ennigerloh bot den landsuchenden Bauern Acker- und Siedel­land zweiter Wahl.

Es ist die Epoche des Übergangs von der jüngeren Bronzezeit zur älteren Ei­senzeit. In Kleinasien kämpften die Griechen um Troja. Auf den Hügeln Roms lassen sich Latiner nieder. In Süddeutschland und Westfrankreich siedeln die Kelten. Leider berichtet keine schriftliche Quelle über die Völker, die zu dieser Zeit unseren Raum besiedelten. In den Fundberichten ist mal von Kelten, mal von Germanen die Rede. Durch die Ausgrabungen der letzten Jahre wissen wir einiges über den Alltag dieser Menschen. Sie lebten in dreischiffigen Wohnstall­häusern mit kleinen Nebengebäuden. Viehhaltung (Schwein, Rind, Schaf, Ziege) betrieben sie intensiver als den Ackerbau. Sie verstanden es, Vorratsgefä­ße aus Ton zu formen und zu brennen. Werkzeuge, Gebrauchsgegenstände und Schmuck wurden in erstaunlicher Vielfalt und Formvollendung hergestellt. Die Menschen jener Kulturstufe benutzten bereits Pinzetten, Scheren und Rasiermes­ser aus Bronze. Die Frauen schmückten sich mit Fibeln, Ringen und Bernstein­ketten. Die Bewaffnung der Männer bestand aus Dolchen, Lanzen mit bronzenen Spitzen, Kurzschwertern und Tüllenbeilen6. Unseie genauen Kenntnisse stam­men leider nicht aus Sendenhorst, sondern von den Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte in Telgte-Raestrup und Warendorf.

Nach oben