Geschichte Ahlen
Frühzeit
Der Name der Stadt wird erstmals um 850 in der Vita Liudgeri II erwähnt. Seine Bedeutung und die auf den Namen Bezug nehmende Darstellung des Stadtwappens mit einem „geflügelten Aal“ sind nicht geklärt. Als Ursprung der Stadtsiedlung wird ein Siedlungsansatz an einem Übergang über die Werse angenommen, der zum Schnittpunkt zweier wichtiger Straßen wurde und gleichzeitig Ausgangspunkt für eine dritte Straße war (Hamm–Ahlen–Warendorf, Beckum–Ahlen–Herbern, Ahlen–Münster). Die in den ersten Jahrhunderten langsam wachsende Siedlung bildete sich um einen bischöflichen Amtshof. Im Schutze dieser Kirchenburg ließen sich zunächst Handwerker und Händler nieder, um mit den Bauern und Bewohnern des Amtshofes Handel zu treiben. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begann der Fernhandel in der Stadt, so tauchten die Namen Ahlener Kaufleute beispielsweise im 13. Jahrhundert in den Rechnungen Lübecker Kaufleute auf. In diese Zeit fällt auch die Errichtung einer Stadtmauer(1271) mit fünf Tortürmen. Ahlen war Mitglied der norddeutschen Hanse. Die Beseitigung der Stadtbefestigungen begann 1765 und seit 1929 sind die letzten Reste davon verschwunden.
Die Stadt scheint sich im 13. Jahrhundert rasch entwickelt zu haben. Um 1285 war die Bevölkerung soweit angewachsen, dass man neben der „Alten Pfarre“ (St. Bartholomäus) eine „Neue Pfarre“ (St. Marien) gründete. Hierdurch entstanden ein Alt- und ein Neukirchspiel. Diese Entwicklung lässt den Schluss zu, dass Ahlen zu dieser Zeit zu den 18 größten Städten in Westfalen zählte. Das Wachstum der Stadt beruhte bei hoher Sterblichkeit, niedrigererGeburtenquote als auf dem Lande und einem zeitweilig hohen Frauenüberschuss vor allem auf der ländlichenZuwanderung. In der Neustadt bildete sich durch diese Zuwanderung eine Ackerbürgerschicht. Das Aufblühen der Stadt wurde im 14. Jahrhundert durch die in ganz Europa wütende Pest gestoppt. Im Bürgerbuch des Jahres 1389 waren nur noch 63 Familien verzeichnet. Erst 1454 enthielt eine Bürgerliste wieder 212 Familien, woraus sich eine Einwohnerzahl von etwa 1300 errechnet. Zu diesem Zeitpunkt existierten in der Stadt vier Stadtviertel, die nach den jeweils benachbarten Stadttoren benannt waren und etwa gleiche Größen hatten. Die einzelnen Stadtviertel waren für die Verteidigung der Tore und Teile der Stadtmauern verantwortlich und bildeten darüber hinaus Hudegenossenschaften für die Hudenutzung der gemeinen Mark. Um 1454 lebten in Ahlen sieben Adelsfamilien sowie deren Bedienstete auf bischöflichen Burgmannshöfen.
Zu Beginn der Neuzeit entbrannte ein jahrzehntelang andauernder Erbstreit um die in und um Ahlen gelegenen, sagenumwobenen Mechelnschen Güter. Die Familie von Mecheln wird erstmals 1246 mit Konrad von Mecheln erwähnt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts starb Konrad von Mecheln, der letzte derer von Mecheln aus dieser Linie, und hinterließ die Güter seiner Mutter, Gysela von der Sünger, verwitwete von Mecheln, geb. von Gimpte. Die Witwe verkaufte die Güter, deren Besitzungen und Gerechtigkeiten von Ahlen, über Vorhelm bis nach Hoetmar und Oeldereichten, im Jahre 1491 an Lambert von Oer zu Kakesbeck. Es kam zu einem Erbstreit zwischen den Familien von Oer und von Ascheberg, der erst nach einer blutigen Fehde am 1. Mai 1528 durch einen Vergleich zwischen Berndt von Oer und Gottfried von Harmen zu Horne beendet wurde. Lambert von Oer übertrug die Mechelnschen Güter im Jahre 1519 seinem Sohn Hermann von Oer zu Bruch. Von diesem Geschlecht zeugt noch heute der Oershof, in dem sich das Heimatmuseum der Stadt befindet.
Im gleichen Zeitraum wurde die Stadt durch drei Pestepidemien (1505, 1551, und 1592) dezimiert. Auch die Lepra raffte viele Menschen dahin. Im Jahre 1571 sahen sich Bürgermeister und Rat veranlasst, ein besonderes Leprosen-Hospitalzu bauen. Verheerende Stadtbrände (1483, 1668 und 1744) verhinderten ein weiteres Aufblühen der Stadt.
Von 1574 bis 1652 sind für die Stadt Ahlen Dokumente von ca. 20 Hexenprozessen erhalten geblieben. DieHexenverfolgungen begannen 1574 mit dem Tod von vier Frauen. 1615 wurde Peter Kleikamp als Werwolf angeklagt, gefoltert und lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 1616 wurde Christian zum Loe, wegen Hexerei angeklagt, im Gefängnis wahnsinnig und starb. Der letzte bekannte Prozess fand 1652 gegen Anna Sadelers statt. Sie wurde gefoltert, enthauptet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Bei der ersten Erfassung des Bevölkerungsstandes durch die preußische Verwaltung im Jahre 1803 wurden 1.854 Personen registriert. Zu diesem Zeitpunkt waren die Stadtbefestigungen auf Grund der veränderten Kriegsmethoden bereits wirkungslos und teilweise beseitigt. Im Jahre 1803 fiel die Stadt erstmals mit dem Fürstbistum Münster anPreußen. Mit dem endgültigen Übergang an Preußen im Jahre 1816 setzte für die Stadt eine neue Entwicklung ein, die zu einem raschen Bevölkerungswachstum führte. Aus der Ackerbürgerstadt, in der im Jahre 1871 nur 3.535 Menschen wohnten, war bis zum Jahr 1964 eine mittelgroße Industriestadt mit 44.203 Einwohnern geworden. Hierzu trugen mehrere technisch-wirtschaftliche Entwicklungen bei, die für die Stadt von besonderer Bedeutung waren: In den Jahren 1846/1847 wurde die Cöln-Mindener Eisenbahn durch Ahlen gebaut. Hierdurch erhielt die Stadt gegenüber anderen Städten ihrer Umgebung einen erheblichen Standort- und Mobilitätsvorteil. Auch der Bau der Eisenbahn selbst trug vorübergehend durch eine Vielzahl zugewanderter Eisenbahnarbeiter, vor allem aus dem südlichen Westfalen und derEifel, zu einer Belebung der Stadt bei. Es sind jedoch auch soziale Konflikte belegt, die durch die fremden Arbeiter ausgelöst wurden. Nach dem Abschluss des Eisenbahnbaus blieb nur eine geringe Zahl der zugewanderten Arbeiter in der Stadt, unter ihnen auffallend viele aus dem Ravensberger Land.
Erste Industrialisierung
Die erste Industrialisierungsphase setzte mit dem Strontianitbergbau um 1880 und der Begründung der metallverarbeitenden Industrie (Blechschmiede und Verzinnerei der Gebrüder Kerkmann, 1863) ein. Vor allem der Strontianitbergbau, der jedoch lediglich etwa zehn Jahre blühte, bescherte den Ahlenern eine äußerst bewegte Zeit, die „Strunz“-Zeit. Die zahlreichen Arbeiter (ca. 650), die der Bergbau nach Ahlen gelockt hatte, kehrten überwiegend in ihreHeimat – auch hier wieder viele in die Eifel – zurück oder fanden in der aufblühenden metallverarbeitenden Industrie Arbeit. Durch die Anwerbung tüchtiger Fachkräfte aus dem Rheinland, aus Sachsen, dem Vogtland, Thüringen, demHarz, Böhmen, Schlesien, der Oberpfalz, Franken und Oberbayern gelang es der metallverarbeitenden Industrie, sich auf die Herstellung emaillierter Geschirre zu spezialisieren und so eine Stanz- und Emailleindustrie aufzubauen, die schließlich den Ruf der Stadt bestimmte. Im Jahr 1892 waren es bereits fünf Werke und 1968 bereits 20 Werke. Die Arbeit in diesen „Pöttkesfabriken“ wurde überwiegend von Arbeitern aus der zugewanderten Landbevölkerungverrichtet. Neben der Emailleindustrie etablierten sich aber auch Maschinen- und Werkzeugfabriken, Schuhfabriken und holzverarbeitende Werke. Auf Grund der aus verschiedenen Wanderungswellen entstandenen Beziehungen zur Eifel entwickelte sich ein reger Handel mit Emaillegeschirren aus den Ahlener Werken, der von ehemaligen Wanderarbeitern aus der Eifel getragen wurde. 1904 erhielt die „Neue Pfarre“ einen neuen Kirchenbau im neugotischen Stil. Die Marienkirche ist noch heute die größte Kirche in Ahlen und mit ihrem fast 75 m hohen Westturm ein Wahrzeichen der Stadt. Historisch bedeutsam sind das romanische Südportal sowie der Taufbrunnen und das Pestkreuz aus dem Kloster Maria Rose.
Zweite Industrialisierung
Die zweite Industrialisierungsphase begann mit der Erschließung der Kohlevorkommen am östlichen Rand desRuhrgebiets durch die „Bergwerksgesellschaft Westfalen“ und war für die Entwicklung der Stadt von prägender Bedeutung. Der Grunderwerb für die erforderlichen Flächen wurde im Jahr 1907 getätigt.
Nachdem im Jahr 1909 die Zechenbahn fertiggestellt war, begannen die eigentlichen Abteufarbeiten für eine Doppelschachtanlage, die 1913 fertiggestellt war. Gleichzeitig wurden Werkssiedlungen wie die denkmalgeschützteZechensiedlung Neustadt, (auch „Kolonie“ oder „Zechensiedlung“ genannt) für die zugewanderten Arbeiter gebaut. Allein in den Jahren 1912 und 1913 verzeichnete die Stadt einen Wanderungsgewinn von knapp 5.000 Personen. DieBelegschaft der Zeche Westfalen bestand aus ca. 1.200 Beschäftigten. Ihre Herkunft war sehr breit gestreut: zu 36 % stammten sie aus Westdeutschland mit dem Schwerpunkt Westfalen, zu 31 % aus Ostdeutschland und zu 19 % aus dem Ausland. Nur ein geringer Teil stammte aus Nord-, Mittel- und Süddeutschland. Zu den Hauptherkunftsgebieten gehörte die Provinz Posen.[2]
Unter den Ausländern fanden sich vor allem Polen, Tschechen, Slowenen, Kroaten, Ungarn, Italiener und Niederländer. Während des Ersten Weltkriegs wurden darüber hinaus auch 410 Kriegsgefangene im Bergbau eingesetzt. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Zeche zu einem wirtschaftlichen Magneten für die Stadt; verschiedene Erweiterungen ihres Betriebes hatten weitere Zuwanderungen zur Folge. In den Jahren 1936 und 1937 wurde ein dritter Schacht inDolberg errichtet. Der Wanderungsgewinn führte bis zum Jahr 1939 zur Ansiedlung von insgesamt 8.298 Personen aus allen Teilen Deutschlands und 21 anderen Ländern. Unter ihnen entwickelte insbesondere die starke Gruppe der Polen ein kulturelles Eigenleben.
Die raschen und tief greifenden Veränderungen der Bevölkerungsstruktur beeinflussten das politische Leben der Stadt. In dem bis zum Beginn der „Steinkohlenära“ als „schwarz“ bezeichneten Ahlen, wo 1870 eine wichtige Gründungsversammlung der Deutschen Zentrumspartei stattgefunden hatte, erhielten bei der Kommunalwahl 1919 dieSozialdemokraten ein Drittel aller Wählerstimmen. Als Folge der Zersplitterung der bürgerlichen Parteien und nach der Entstehung der kommunistischen Partei verlor die Zentrumspartei – aber auch die Sozialdemokraten – rasch an Einfluss. 1921 übernahm der als Bergarbeiter auf der Ahlener Zeche tätige und in der politischen Arbeit erprobte Max Reimann die Leitung der örtlichen KPD. Aufgrund der schlechten sozialen Lage der Bergleute kam es in dieser Zeit zu häufigen Streiks und Demonstration. Das blieb auch für die politischen Kräfteverhältnisse in der Stadt nicht ohne Folgen: Im Jahr 1929 rückten die Kommunisten in der Stadtverordnetenversammlung mit 24,4 % der Stimmen auf den ersten Platz vor. Aus dieser Zeit ist der Ausspruch überliefert: „Wenn es in Ahlen und Hamborn ruhig ist, ist es in ganz Deutschland ruhig“.
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Für die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft soll die Inschrift auf der Gedenkstele am Platz der ehemaligen jüdischen Schule ein markantes Zeugnis ablegen. Sie lautet:
„Der nationalsozialistische Rassenwahn führte zu jener Nacht vom 9. zum 10. November 1938, die von den Nationalsozialisten „Reichskristallnacht“ genannt wurde.“
In dieser Nacht wurde die Synagoge in Ahlen von Nationalsozialisten geschändet und in Brand gesteckt. Menschen wurden geschlagen, ihre Wohnungen zerstört, ihre Geschäfte zertrümmert. Siegmund Spiegel kam als einziger Ahlener Jude in dieser Nacht in Ahlen zu Tode, als er auf offener Straße erschlagen wurde.
Nach der Pogromnacht im November 1938 meldeten viele Bürgermeister in Deutschland ihre Stadt als „judenfrei“; aber erst ein Jahr später, am 14. November 1939, teilte in der „Sitzung der Ratsherren der Stadt Ahlen“ der Verhandlungsführer – den Vorsitz hatte Erster Beigeordneter Heinert – unter „Punkt 3: Judenfrage“ mit, „dass die Juden nunmehr Ahlen verlassen hätten, bis auf die beiden Jüdinnen Frau U… und Frau N…“.
In seiner Veröffentlichung „Der Weg nach Auschwitz begann auch in Ahlen“ – Vergessene Spuren der jüdischen Gemeinde einer westfälischen Stadt stellt der Autor H.-W. Gummersbach fest: „Noch im September 1944 wird die letzte Jüdin in Ahlen verhaftet“ und ergänzt: „Dieser Brief erzählt den Leidensweg einer Ahlener Jüdin, die mit einem Ahlener Arzt verheiratet war. Sie hatte Ahlen nicht nach der Anweisung der Stadtführung im November 1939 verlassen, sondern war bei ihrer Familie geblieben. Grete U. wurde schließlich im September 1944 verhaftet und konnte sich nur durch eine abenteuerliche Flucht vor der Deportation retten.“
Einige Menschen entkamen den Verfolgungen, wenige überlebten den Holocaust, die meisten wurden Opfer desVölkermordes. Heute lebt nur noch ein Mitglied der Ahlener jüdischen Gemeinde – allerdings nicht mehr in Ahlen. Im Kriegsjahr 1943 wurde Ahlen in eine Lazarettstadt verwandelt und war bei Kriegsende mit 1.800 Verwundeten belegt. Das Lazarett befand sich im Gebäude des Klosters St. Michael, heute das bischöfliche Gymnasium der Stadt, welches bereits seit 1942 zum Lazarett umfunktioniert worden war. Mit Zunahme des Luftkrieges suchten viele Ausgebombte Schutz in unzerstörten Kleinstädten und Landgemeinden. Ahlen wurde im Rahmen dieser Hilfe Patenstadt fürGelsenkirchen und Aachen. Am 9. September 1944 zogen insgesamt 1.461 Evakuierte in Großtransporten in die Stadt ein. Doch Ahlen hatte selbst Verluste durch den Krieg zu beklagen: Durch 45 Luftangriffe seit Juni 1940 kamen in der Stadt nahezu 300 Menschen um. Der schlimmste Luftangriff ereignete sich am 23. März 1944, als rund 1000 Bomben auf das Gelände der Zeche und die angrenzende Wohnsiedlung der Arbeiter abgeworfen wurden. Bei dem Angriff kamen 193 Menschen ums Leben, 250 weitere wurden verletzt und etwa 600 verloren ihre Wohnung. Ungefähr 5 % der Stadtfläche waren bei Kriegsende zerstört, wobei das Gebiet der Bergarbeiterkolonie am häufigsten Ziel der Angriffe wurde. 1200 Ahlener fielen im Zweiten Weltkrieg an den verschiedenen Kriegsfronten.[3]
Schlimmeres konnte in den letzten Kriegswochen durch das mutige Handeln des Oberfeldarztes Dr. Paul Rosenbaum verhindert werden. Er übergab das zur offenen Stadt erklärte Ahlen am 31. März 1945 kampflos an amerikanische Truppen. Zum Dank für diesen Einsatz wurde ein zentraler Platz nach ihm benannt. Durch den Zweiten Weltkrieg sank die Stammbelegschaft der Zeche um 27 % ab, während die Gesamtbelegschaft jedoch um 36 % stieg. Der Grund hierfür war der Austausch deutscher Bergleute, die zum Militärdienst eingezogen wurden, gegen Kriegsgefangene und Zivilverschleppte (siehe Verschleppung), die in Ausländerlagern am Stadtrand untergebracht waren. Bei Kriegsende gab es in Ahlen 5.971 Fremdarbeiter in 26 Lagern. Bis zur Rückführung der Zwangsarbeiter und Gefangenen im Herbst 1945 kam es zu zahlreichen Racheakten an der Zivilbevölkerung. Andererseits veranlassten ehemalige Zwangsarbeiter aber auch, dass ein Topffabrikant der Stadt nicht länger von den Besatzern zur Zwangsarbeit herangezogen wurde, weil dieser die in seiner Fabrik tätigen Zwangsarbeiter stets mit (streng verbotenen) Lebensmittelsonderrationen versorgt hatte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Im Winter 1946/1947 tagte der Zonenausschuss der CDU für die britische Zone im Ahlener Kloster St. Michael (heute Bischöfliches Gymnasium) zur Beratung der programmatischen Ausrichtung der Partei. Damit in Verbindung standen wichtige personelle Weichenstellungen für die Bildung einer neuen politischen Elite in Deutschland (Konrad Adenauer –Jakob Kaiser). Es war wohl mehr Zufall als bewusste Anknüpfung an politische Traditionen in der Stadt (Zentrumspartei), dass es gerade die Stadt Ahlen war, mit deren Namen dieses Programm verknüpft ist. Dennoch ist das Tagungsgebäude selbst sicher nicht ohne Anspielung auf den Inhalt des Programms zu deuten.
In seiner Tagung vom 1. bis 3. Februar 1947 in Ahlen erließ der Zonenausschuss folgende programmatische Erklärung (Einleitung):
„Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch einegemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.“
Am 3. Februar 1997 wurde die Bedeutung des Ahlener Programms für die heutige CDU mit dem Abstand von 50 Jahren in einer Feier am Entstehungsort durch den damaligen CDU-Generalsekretär Peter Hintze wie folgt gewürdigt (Auszug):
„Es fällt schwer, sich die ersten Februartage des Jahres 1947 zu vergegenwärtigen, als die Männer des CDU-Zonenausschusses der britischen Zone nach Ahlen reisten. Es war ein Katastrophenwinter, der Rheinwar auf 40 Kilometer mit einer Eisdecke überzogen. die Lebensmittelversorgung war in eine extrem kritische Situation geraten. Die Menschen froren und hungerten. Im Ruhrgebiet sanken die täglichenLebensmittelrationen auf 700 bis 800 Kalorien. St. Michael in Ahlen war nicht zuletzt deswegen als Tagungsort ausgewählt worden, weil hier die Tagungsräume – wenn auch unter Mühen – beheizt werden konnten und eine Verpflegung der Tagungsteilnehmer möglich war. Die Schwestern von St. Michael wendeten all ihre Organisationskunst auf, um der Tagung eine Grundlage zu geben. In der materiellen und moralischen Trümmerlandschaft, die die Nazidiktatur hinterlassen hatte, machten sich Frauen und Männer ans Werk, eine neue freiheitliche Ordnung zu begründen, die sie aus dem christlichen Verständnis vom Menschen heraus entwickelten. Im ersten Programm der CDU in der britischen Zone, dem Programm von Neheim-Hüsten vom 1. März 1946 ist dieser Gedanke in aller Klarheit formuliert: Die christlicheWeltauffassung allein gewährleistet Recht, Ordnung und Menschenwürde und Freiheit der Person und damit eine wahre Demokratie, die sich nicht auf die Form des Staates beschränken darf, sondern das Leben des Einzelnen wie das des Volkes und der Völker tragen und durchdringen soll. DieIdeengeschichtliche Bedeutung des Ahlener Programms liegt in der Formulierung einerWirtschaftsordnung, die jenseits von Kapitalismus und Sozialismus einen dritten Weg suchte. Die moralische Bedeutung des Ahlener Programms liegt in der bis auf den heutigen Tag gültigen Feststellung, dass die Würde des Menschen sich auch im Wirtschaftsleben widerspiegeln muss. Der Leitsatz des Ahlener Programms ist daher von ungebrochener Aktualität: Die Wirtschaft hat der Entfaltung der schaffenden Kräfte des Menschen und der Gemeinschaft zu dienen.“
Das Leben in der Stadt war jedoch von anderen Ereignissen bestimmt: Vom 5. November 1945 bis 15. August 1946 war Ahlen Auffang- und Durchgangslager für den damaligen Kreis Beckum. In dieser Zeit erreichten 70 Flüchtlingstransporte die Stadt. Bis 1950 nahm die Stadt in mehreren großen Schüben ca. 4.000 Heimatvertriebene auf, besonders Schlesier und Ostpreußen. Die Zuwanderung der Flüchtlinge wurde neben der Zeche der wichtigste Faktor für den inneren und äußeren Strukturwandel. Die vorhandenen Industriebetriebe konnten ihre Belegschaften stark vermehren und es entstanden aus der Initiative der Flüchtlinge neue Betriebe, die vorhandene Nischen im Wirtschaftsbesatz nutzten.
Mit der Verbesserung der Wirtschaftslage Ende der 1950er Jahre kam es auch zu umfangreichen Bautätigkeiten. Im Süden der Stadt entstand ein ausgedehntes „Ostdeutsches Viertel“ in dem die Straßennamen auf die Herkunft der Bewohner deuten. Die Bautätigkeit wurde durch die Abteufarbeiten an Schacht V der Zeche Westfalen (1953–1956), den Bau der Westfalenkaserne (1958–1961) und die Errichtung kommunaler und kirchlicher Gebäude (städtisches Gymnasium, Hallenbad, Christuskirche, Pauluskirche) mitgeprägt. Das deutsche Wirtschaftswunder führte auch in Ahlen zu einem Überangebot von Arbeitsplätzen. Durch die Vermittlung staatlicher Institutionen und durch eigene Initiativen der Wirtschaft kamen zwischen 1960 und 1965 insgesamt ca. 1.000 „Gastarbeiter“ nach Ahlen. Die Einwohnerzahl war so von 1945 (29.322) bis 1964 auf 44.203 gestiegen. Durch die Eingemeindung des Amtes Ahlen wurde 1969 die Einwohnerzahl von 50.000 überschritten.
Der Ahlener Fußballverein LR Ahlen, der 1996 aus der Fusion zweier kleiner Vereine entstand, spielte von 2000 bis 2006 in der 2. Bundesliga. Nach dem Abstieg wurde – wegen Rückzug des Hauptsponsors – im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 31. Mai 2006 der Verein in Rot Weiss Ahlen umbenannt. 1999 schafften die Handballer der Ahlener SG den Aufstieg in die 2. Bundesliga, in der Saison 2005/2006 belegten die Handballer den 2. Tabellenplatz, in der Relegation zur 1. Bundesliga scheiterten sie.
Ahlen ist durch die Zeche Westfalen bekannt, die 2000 stillgelegt wurde.