Wasserturm mit öffentlichem Badezimmer
Wobei das mit dem Schatten so etwas war. Denn mit seinen 42 Metern war er wohl derjenige, der die Umgebung dominierte. Deshalb war es auch keine Frage, dass er die „Vier-Türme-Stadt“ lange mitprägte.
Er hatte seinen Sinn, als er fertig gestellt war. Damit das Wasser in den Leitungen immer mehr oder weniger den gleichen Druck hatte und die schwankende Wasserabnahme durch die Menschen ausgeglichen werden konnte, gab es in Sendenhorst wie in vielen anderen Städten und Gemeinden Wassertürme. Dazu standen im Ausgleichsbehälter im Turm 400 Kubikmeter Wasser zur Verfügung.
Doch der Sendenhorster Wasserturm konnte noch weit mehr. Er war gewissermaßen auch Badezimmer, und zwar direkt nach der Fertigstellung. Denn nach dem Sport nebenan gings zum Duschen in den Wasserturm. Und auch andere Sendenhorster konnten die öffentlichen sanitären Anlagen nutzen, deren Reste bis zum Ende erhalten blieben. Ein kleiner Obolus an den Verwaltungsmitarbeiter gewährte Eintritt zu den festgelegten Zeiten.
Lange wehrte die Funktionalität der Sendenhorster Betonpracht aber nicht. Nur 18 Jahre, nachdem ihn ein Architekt aus Münster gebaut hatte, wurde er von einen auf den anderen Tag überflüssig. Denn ab 1977 lieferte die Gelsenwasser AG das kostbare Nass mittels Druckrohrleitung nach Sendenhorst - und der Turm hatte keine Funktion mehr. Na ja, nicht ganz. Denn „Wasser-Bartmann“, inzwischen längst in Ruhestand und auf Sportabzeichen spezialisiert, nutzte mit seinen Kollegen vom Wasserwerk den Turm als Lagerraum.
Natürlich gab es in der Folge viele Ideen für den Turm, der es bei entsprechendem Engagement womöglich zu einem Industriedenkmal gebracht hätte. Viele Varianten wurden in den politischen Gremien diskutiert.
Doch weil der Beton bröckelte und Gefahren nicht mehr ausgeschlossen werden konnten, war wohl auch ein wenig Eile geboten. Und so wurde es nichts mit Fachräumen für die Realschule, einem Jugendcafé, einer Jugendherberge, einem Jugendheim oder Sozialwohnungen im Sendenhorster Wasserturm - weil derartige Vorhaben zu teuer oder technisch zu aufwändig erschienen.
Und so reifte der Entschluss, eines der Wahrzeichen der Stadt ganz profan abzureißen. Das geschah nach einer letzten Besichtigung im Inneren im Juli 1999 - also heute vor fast genau zehn Jahren. Die Proteste hielten sich in Grenzen.