Pängel-Anton kommt zurück - 1903 – 1975 – 2020 – Jetzt wird’s ernst!

Wenn in diesen Tagen die Planungen der Westdeutschen Landeseisenbahn sich konkretisieren und die entsprechenden Anträge in Düsseldorf gestellt werden, dann darf man wieder vom Anschluss an die weite Welt träumen – in Sendenhorst, Albersloh und Wolbeck. Das Geld ist laut WLE da, die Planungen sehr weit fortgeschritten und die Unterstützung in Politik und Gesellschaft breit, trotz natürlich auch geäußerter Sorgen. Die WLE zeigt sich zuversichtlich.

2013: Schon ganz gut: Sonderfahrt zum Münsteraner Hafenfest - Mit freundlicher Genehmigung: AG Schienenverkehr Münsterland

Und wenn dann noch die Umgehungsstraßen für Sendenhorst und Albersloh kommen... Hier ist allerdings StraßenNRW der Bauherr und somit ein ganz anderes Thema, das zu einem späteren Zeitpunkt im stadtland magazin erörtert werden soll. Zur Geschichte der WLE findet sich ein Text im Stadtarchiv aus dem Jahre 1982, der Autor ist leider nicht bekannt.

Die erste Strecke der Landesbahn entstand 1883 und wurde von Warstein nach Lippstadt gebaut. Deshalb hatte die Bahn auch ursprünglich die Bezeichnung »Warstein-Lippstädter Eisenbahn«. Im Jahre 1896 wurde sie in die heutige »Westfälische Landes-Eisenbahn« umbenannt. 


Im weiteren Ausbau des Streckennetzes folgten mehrere Strecken:
• Lippstadt – Warstein seit dem 1. Nov. 1883,
• Lippstadt – Beckum seit 1898,
• Brilon – Stadt-Soest seit 1898/1899,
• Neubeckum – Warendorf seit 1899/1901
Als letzte Strecke kam 1903 die Strecke Neubeckum – Münster hinzu.

Am 1. Oktober 1903 wurde die Strecke Münster – Neubeckum – Beckum eröffnet. siehe Bild Das Schienennetz der WLE von anfänglich 30 km Länge war mit der letztgenannten Strecke auf 265 km ausgebaut worden. Mit dem Ausbau der Bahnstrecke Neubeckum – Münster erhielt Sendenhorst den langersehnten Anschluss an das überregionale Schienennetz. Die beschwerliche Zeit der Postkutschenfahrt – man fuhr bisher von Sendenhorst per Postkutsche zur Haltestation der Staatsbahn in Drensteinfurt – war endgültig vorbei. Es war ein Lokalereignis besonderer Art, von dem die Tagespresse seinerzeit wie folgt berichtete:

1903, 21. April: Ein Festtag. Heute Nachmittag lief der erste Transportzug der Bahn Neubeckum - Münster, festlich bekränzt, in den hiesigen Bahnhof ein. Böllerschüsse wurden abgegeben, und eine Kapelle aus Wolbeck musizierte. 30. Sept.: Sendenhorst im reichen Flaggenschmuck. Feierliche Eröffnung der neuen Bahn. Mit einem Sonderzug, der mit grünen Zweigen und bunten Fähnchen geschmückt war, fuhren die Festteilnehmer von Münster nach Neubeckum. Überall wurden die Festteilnehmer mit Böllerschüssen begrüßt. Von Neubeckum ging es dann um 11 Uhr 40 zurück. Auf der Station Sendenhorst sprach Bürgermeister Hetkamp. Die Festgäste blieben 40 Minuten lang zur Einnahme des Frühstücks hier selbst. 500 Butterbrote waren in fünf Minuten vergriffen. Nicht minder wurden die verschiedenen Fässer Bier im Angesichte der sengenden Sonnenglut leergetrunken. Auch der berühmte Sendenhorster Korn fehlte nicht. Um halb acht Uhr langte der Zug wieder auf unserer Station  an, wo abermals ein festlicher Empfang stattfand. Vom Bahnhof aus wurde unter Vorantritt einer eigens engagierten Kapelle ein Fackelzug veranstaltet. Einen würdigen Abschluss fand die Feier im Saale des Herrn B. Schramm durch einen Kommers, der die Teilnehmer bis zum frühen Morgen in der fidelsten Stimmung beisammen hielt.

Rechts: Lokschuppen Das Bahnhofsgebäude an der Ladestraße war einmal Ausgangspunkt. Der verlassene Bahnhof, Laderampen, Güterschuppen, Stationsräume und Fahrkartenschalter erinnern noch an die frühere Bedeutung des Bahnhofs zu einer Zeit, in der reger Personen- und Güterverkehr die WLEStrecke belebte. Über Bauzeit und Baukosten des Bahnhofs Sendenhorst liegen keine Angaben mehr vor. In den Akten der WLE ist jedoch vermerkt, dass die Gleisanlagen in Sendenhorst nach 10-jähriger Betriebsdauer erheblich erweitert werden mussten. Das am 18. September 1913 beschlossene und am 15. März 1914 genehmigte Bauvorhaben konnte wegen Mangel an Arbeitskräften durch den Ersten Weltkrieg erst Ende 1914 beendet werden.
  
Der Güterschuppen musste 1919 erweitert werden. 1956 war eine Zeit der besten Schienenverbindungen für den Bahnhof Sendenhorst. Damals verkehrten werktäglich 17 Triebwagenzüge, davon zwei Eiltriebwagen von Warstein nach Münster und 2 Triebwagen von Münster nach Sendenhorst und zurück; drei Dampfzüge für den Personenverkehr und vier Güterzüge. Der Personenverkehr mit Triebwagen ist am 31. Mai 1975 eingestellt worden. Der letzte Personenzug (mit Diesellok) verkehrte am 27. September 1975. Von diesem Zeitpunkt an ist der Bahnhof Sendenhorst stationsmäßig nicht mehr mit Dienstkräften besetzt.

Geschäftiges Treiben auf dem Bahnsteig - vielleicht bald wieder?! In den sieben Jahrzehnten seine Betriebes standen u. a. als Bahnhofsvorsteher vor: Schulz, Wilhelm Knoop, Hermann Kramer, Theodor Fenke, Leonhard Schuchardt und Erich Ender. Zeitweilig befand sich im Bahnhof Sendenhorst die für die Bahnstrecke Neubeckum-Münster zuständige Bahnmeisterei. Der letzte Bahnmeister in Sendenhorst war Adolf Kröger. Zu einem Bahnhof gehört die Bahnhofsgaststätte. Wenn auch nahezu seit sieben Jahren der Personenverkehr auf der WLE-Strecke eingestellt ist und nur noch ein oder zwei Güterzüge am Tage den Sendenhorster Bahnhof passieren, so hat sich die Bahnhofsgaststätte dennoch behaupten können. Sie wurde mit Vertrag vom 23. September 1903 an Anton Spiegel verpachtet.

Ab 01.01.1933 war Paul Haski der Bahnhofswirt von Sendenhorst. »Onkel Paul«, wie ihn seine Kundschaft scherzhaft nannte, stand bei jung und alt gleich hoch im Ansehen. Seit dem 6. März 1968 ist Frau Änne Schmitz Inhaberin der bekannten Gaststätte.

Das letzte große Ereignis für die WLE und damit bahnhofmäßig auch für Sendenhorst war im Jahre 1949 die Einführung der Strecke Neubeckum – Münster in den Hauptbahnhof Münster. Die Strecke Münster – Neubeckum ist 36,12 km lang und endete bis 1949 im Bahnhof (Münster-Ost). Erst seit dem 15. Mai 1949 fahren die Reisezüge der WLE in den Hauptbahnhof ein, nachdem man 46 Jahre nach Eröffnung der Strecke die fehlenden 700 Meter Gleise bis zum Hauptbahnhof gelegt hatte. Genau wie bei der Einweihung 1903 empfing die Sendenhorster Bürgerschaft den Sonderzug aus Lippstadt mit großem Aufgebot. Die Stadt- und Feuerwehrkapelle musizierte, und die Ehrengäste des Zuges wurden von den Honoratioren der Stadt begrüßt. Ein großes Festbankett wurde im Rathaussaal abgehalten. Der Eröffnungszug war mit Kränzen und Fähnchen prächtig geschmückt. Damals ahnte man noch nicht, dass bereits 27 Jahre später die zunehmende Verlagerung des Personenverkehrs von der Schiene auf die Straße dem Bahnhof Sendenhorst Bestimmung und Bedeutung nehmen würde.  (Ende des Berichts 1982)

Links: Noch trostlos - Bahnhof 1985 Das Bahnhofsgebäude hat sich nach 1982 drastisch verändert. Im Jahre 1987 zog Ulli Pöttken mit »der Titanic« in den großen Wartesaal. Vorher befand sich die Titanic auf dem Ostgraben, ehemals Fleischerei Wessel. Seitdem (und auch schon vorher) gilt der Live-Club Titanic als Kult und ist weit über die Grenzen von NRW bekannt. Nach dem Tode von Änne Schmitz 1997 übernahmen Ulli und Steffi Pöttken auch die Kneipe Änne Bahn, so dass die urige Sendenhorster Originalkneipe mit Biergarten erhalten blieb. In der Kneipe hängen übrigens sehr schöne historische Sendenhorster Fotos, sehenswert!

Die Gedanken zur Reaktivierung wurden 2013 richtig konkret, so die WLE. Wir freuen uns auf den ersten Personenzug, der 2020 am Sendenhorster Haltepunkt losfährt! Vorgesehen ist ein Halbstunden-Takt in beide Richtungen. Und früher? Wenn man in alten Kursbüchern blättert, so schwankt die Anzahl der Personenzüge auf dieser Strecke. 1914 waren es zwölf, 1939 zwanzig, 1944 fünfzehn, 1950 einundzwanzig, 1966 sechzehn, 1972 bis 1974 zehn, 1975 nur noch drei Züge täglich.

Der Verkehr hat sich seit der Schließung der WLE vor 42 Jahren drastisch verändert, und wer kann schon sagen, ob Münster nicht womöglich eine Stadtbahn bekommt? Zur Entlastung der Straßen mit immer mehr LKWs, PKWs und Bussen, gerade in und durch Sendenhorst und Albersloh, kann ein gut abgestimmter Schienenverkehr bestimmt beitragen. Und bestimmt käme ein wenig »Glanz« der weiten Welt zurück, wenn wir schon keinen Flughafen bekamen...



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