Es kann nicht immer Sendenhorst sein… - Dillenburg in Hessen

Keine Frage, Sendenhorst liegt nahe, aber, bedingt durch berufliche Projekte, verschlägt es mich als sog. Freelancer und Betriebswirt in diversen Projekten in die verschiedensten Gegenden Deutschlands. Dort habe ich dann neben der Arbeit auf meinen abendlichen Rundgängen durch die mehr oder minder großen Städte auch die Möglichkeit, Dank des Smartphones und des Internets, auf eine auf eine Art »Arbeits-Urlaubs-Geschichts-Tour« zu gehen. Alles besser als im Hotel vorm TV zu versauern…

Wilhelmsturm über Dillenburg

In meinem aktuellen Projekt hat es mich nach Dillenburg ins Hessische verschlagen. Der Weg führte mich per Bahn über Hagen, dann quer durch das Sauerland, über Siegen nach Dillenburg.

Dillenburg ist eine kleine Stadt mit ca. 20.000 Einwohnern, allerdings nur bedingt mit Sendenhorst vergleichbar. Die Kreisstadt, ich befinde mich im Lahn-Dill Kreis, Kennzeichen LDK oder, ähnlich wie bei uns BE, geht auch wieder das alte Kennzeichen DIL. Durch Dillenburg fließt die Dill, ein sehr romantisches Flüsschen. Der Fluss hat wohl in früherer Zeit ein tief eingeschnittenes Tal erzeugt. Die Alt-Stadt lag nur im Tal, mittlerweile sind aber auch sämtliche Seitentäler und Hänge mit Häusern jeglicher Art bebaut. Auf alten Bildern ist das deutlich zu erkennen. Am Ende der jeweiligen Straßen sind diese dann so steil, dass ich mich frage, wie die Einwohner damit im Winter klar kommen. Wir werden sehen…


STADTGRENZE & ALTSTADT
An der Stadtgrenze beginnt jeweils direkt Waldgebiet. Es gibt kaum Felder, höchstens ein paar Pferdekoppeln, da sich unten im Tal das hessische Landgestüt befindet. In der Stadt gibt‘s alles, was eine Kreisstadt braucht: Landgericht, Jobcenter, diverse Supermärkte, ganz viele Restaurants. Das liegt an den Touristen, denn Dillenburg ist schon durch seine Geschichte wirklich eine Reise wert. Über der wunderschönen Altstadt mit vielen Fachwerkhäusern erhebt sich hoch über der Kirche der weithin sichtbare Wilhelmsturm.

Was hat es damit auf sich? Natürlich habe ich mich das auch gefragt und habe gleich am ersten Abend den steilen Weg bergauf genommen. Zum Glück braucht man keine Ausrüstung, aber für einen Flachländer – wie für mich Sendenhorster – ist das schon nicht ohne. Mich hatten von vorne herein die vielen holländischen Fähnchen in der Stadt verwundert.


AM SCHLOSS

Oben am Schloss angekommen, konnte man dann auf den Info-Tafeln erfahren, wo der Hase lang lief. Der 1. Holländische König war Wilhelm von Oranien. Wir ahnen schon, wo das »Oranje« herkommt :). Doch wie kam ein deutscher Prinz zu dem Titel König der Niederlande?

Die Geschichte (auf den Schaubildern und Wikipedia) erzählt:

Wilhelm von Oranien-Nassau wurde 1533 auf Schloss Dillenburg geboren. Im Jahre 1544 trat er das Erbe seines kinderlos gefallenen Vetters René von Chalon, Prinz von Oranien, an. Mit diesem Erbe kam nicht nur das französische Fürstentum Orange am Unterlauf der Rhone in den Besitz Wilhelms, sondern es fiel ihm auch das reiche Erbe der Linie Nassau-Breda mit den umfangreichen Besitzungen in den Niederlanden und Luxemburg zu. Um das Erbe allerdings antreten zu können, musste er die elterliche Burg in Dillenburg verlassen und nach Brüssel an den Hof von Kaiser Karl V. übersiedeln, wo er im katholischen Glauben aufwuchs. Nach der Abdankung Karls V. im Jahre 1555 bemühte sich Wilhelm um ein ähnliches Vertrauensverhältnis zu dessen Sohn und Erben, Phillip II., König von Spanien (Die Habsburger aus Österreich stellten zu dieser Zeit den deutschen König/Kaiser und den spanischen König.). Phillip versuchte, seine politischen Ziele gegen die Protestanten mit Gewalt durchzusetzen. Der Glaubensstreit zwischen den Katholiken und Protestanten war in vollem Gange. Münster hatte gerade die Zeit der Sekte Wiedertäufer erlebt (1534/35), und selbst das erzkatholische Münsterland war im 16. Jahrhundert mehrfach im Begriff, evangelisch zu werden. Erst mit Ende des 30-jährigen Krieges 1648 war im Münsterland der Konflikt zugunsten der Katholiken entschieden.


Zurück zu Wilhelm und Phillip:
Philipp setzte sich über alle politischen und kirchlichen Besonderheiten der einzelnen Provinzen der Niederlande hinweg und regierte mit unnachsichtiger Strenge. Wilhelm von Oranien unterstützte die Verfolgung der Protestanten nicht. Deshalb stellte er sich an die Spitze der Opposition gegen den spanischen König. In den nun folgenden Jahren verschärften sich die religionspolitischen und  sozialökonomischen Spannungen mehr und mehr, und es kam 1566 zu religiösen Unruhen. Daraufhin sandte König Philipp II. von Spanien Herzog Alba mit einem 12.000 Mann starken Heer in das Land, das kurz vor einem Religionskrieg stand. Wilhelm von Oranien blieb nur die Flucht. So emigrierte er im Jahre 1567 in das nassauische Dillenburg und entging, im Gegensatz zu vielen anderen niederländischen Adligen, dem sicheren Tod. Wilhelms gesamter Besitz wurde nun konfisziert, und sein Sohn Philipp Wilhelm, der an der Universität in Löwen studiert, nach Spanien entführt. Er sollte den Vater nie mehr wiedersehen. Auf Schloss Dillenburg reifte der Entschluss des Prinzen, mit Waffengewalt in die Auseinandersetzungen gegen Philipp II. von Spanien einzugreifen. Der erste Feldzug Oraniens von 1568 führte zu einer vernichtenden Niederlage. Im zweiten militärischen Vorstoß, 1574, gelang es ihm, in Holland und Seeland kriegswichtige Stützpunkte zu erobern und damit Teile der Miederlande zu befreien. Schließlich trennten sich die nördlichen Provinzen von dem Rest der Niederlande ab und beauftragten Wilhelm mit der obersten Führung im Kampf gegen die Spanier. Dies geschah 1579 in der so genannten Union von Utrecht.


GEBURTSSTUNDE DER NIEDERLÄNDISCHEN REPUBLIK

Dies war gleichsam die »Geburtsstunde« der niederländischen Republik. Die »Utrechter Union« sagte sich dann 1581 in einer Unabhängigkeitserklärung offiziell von Spanien los. 1584 wurde er von dem Burgunder Balthasar Gérard, einem religiösen Fanatiker, durch drei Pistolenkugeln getötet. Die Niederlande wurden erst nach ca. 80 Jahren Unabhängigkeitskrieg im Jahr 1648 im Westfälischen Frieden als eigenständiger Staat, vom Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, unabhängig. Dieser Unabhängigkeitskrieg griff auch mehrfach auf das Münsterland über. Mehrfach zogen niederländische und auch spanische Söldnerheere über die Grenze bis über unsere Gegend hinaus. So wurde Albersloh 1590 von spanischen Truppen geplündert, das Sendenhorster Kirchspiel ebenso, aber auch viele andere Städte im Münsterland. Immer wenn Truppen Gegnern ausweichen mussten, oder auch, was noch viel häufiger vorkam, die bewaffneten Heere sich Nahrung beschaffen wollten, und um Beute zu machen, wurden Dörfer, Städte und Weiler geplündert und erpresst. So wurde das Münsterland tief in den Unabhängigkeitskrieg der Niederlande mit hineingezogen.


ZURÜCK NACH DILLENBURG:

Das Schloss, auf dem König Wilhelm geboren wurde, wurde im 7-jährigen Krieg geschleift. Im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763), ausgetragen zwischen Friedrich II. (Preußen) und Maria Theresia (Österreich) sowie deren jeweiligen Verbündeten, wurde auch die kleine Stadt Dillenburg zum Spielball der Mächte… Nach mehreren Schlachten, bei dem das Städtchen mehrfach den Besitzer wechselte, rückten im Juni 1760 erneut französische Truppen auf Dillenburg vor und begannen mit der Belagerung. Die kleine Schlossbesatzung von rund 350 Soldaten stand nun einer erdrückenden Übermacht von rund 5.000 französischen Soldaten gegenüber. Hauptmann von Düring lehnte es trotz mehrfacher Aufforderung ab, das Schloss zu übergeben. kam es am 13. Juli 1760 zum Verhängnis: Eine Brandbombe, abgeschossen von der Batterie im Weinberg, hatte einen Heuschober in Brand gesetzt. Da es an Wasser und der nötigen fehlte, griff das Feuer auch auf die übrigen Gebäude über und das Schloss brannte ab.
So oft Sendenhorst durch Krieg, Brand, Pestilenz heimgesucht wurde, in diesem Krieg kam es zu keinen Kriegsschäden bei uns vor Ort, das Münsterland kam »mit einem blauen Auge« davon. In den Jahren 1872 – 1875 wurde dann der Wilhelmsturm auf dem ehemaligen oberen Schlosshof mit deutsch-niederländischer Unterstützung errichtet. Von den Gesamtbaukosten in Höhe von 29.122 Talern trug allein die Prinzessin Marianne der Niederlande mit 18.000 Talern den größten Teil. Mit diesem Turm, dem Wahrzeichen der Stadt Dillenburg, hat man Wilhelm I. von Oranien ein bleibendes und weithin sichtbares Denkmal errichtet. In dem Turm gibt es ein Museum, leider habe ich es noch nicht geschafft, den Turm zu besteigen, aber die Aussicht hier vom Schlossberg ist schon genial.

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