Eine Stadt entwickelt sich - 700 Jahre Stadt Sendenhorst
Dondrekiel – Tag der Jugend – Das Stationsspiel am Freitag, 04.09.2015, 16 Uhr, bis zum nächsten Tag, Samstag um 12 Uhr. Dondrekiel: Das Wort entstammt dem Plattdeutschen und bedeutet soviel wie »Verdammt, wir schaffen das!« Der Heimatverein stellt eine Station zur Geschichte (im Hs. Hölscher) und eine Plattdeutsche Station im Hs. Siekmann.
Aber auch die anderen Stationen bieten Spiel, Spaß und Spannung, so z. B. beim Abseilen vom Kirchturm. Es können sich auch noch ganz kurzfristig Jugendliche melden!
Plattdeutsch
Plattdeutsch ist die ursprüngliche Sprache, in der sich die alten Mönsterlänner unterhielten. Mein Opa war z. B. ein »Nativ-Platt-Speaker«, der Hochdeutsch erst als Fremdsprache erlernen musste. Wenn er mit uns Kindern in den 1970ern Platt sprach, hieß es jedoch gleich von den Eltern: »Sprich Deutsch mit den Kindern!« Plattdeutsch galt in den 1960ern und 1970ern wohl als provinziell, so dass die Sprache langsam aber sicher an Bedeutung verlor. Es handelt sich übrigens nicht um einen Dialekt, wie z. B. das Schwäbische. Plattdeutsch und die verwandten Arten bilden das sogenannte Niederdeutsche, das überall im Norddeutschen Raum gesprochen wurde. Teilweise sogar in den Niederlanden und in den Deutsch-sprachigen Gebieten in Russland. Das Hochdeutsche fand seinen Weg erst mit der Verbreitung der Buchdruckes im Mittelalter zu uns (Stichwort: Luther-Bibel). Das Plattdeutsche ist viel näher mit dem englischen und dem Niederländischen verwandt.
Da ich zurzeit versuche, meine Kindheitserinnerungen an das Mönsterlänner Platt aufzufrischen, erwische ich mich ständig dabei, dass ich Wörter aus dem Holländischen und dem Englischen mit Platt verwechsle, die Ähnlichkeit ist nicht zu über«sehen«. Einige Phrasen sind mir jedoch im Gedächtnis hängen geblieben, so meine Lieblingssprüche: »So maak det wohl liehen« – Übersetzt: So mögen wir das leiden, oder auch »Lott de Bücks men an, da braak wie so düer!«, was so nicht zu übersetzen ist…
Bild: Stadtgründer Fürstbischof von Münster Ludwig II. von Hessen
Flucht
Auch wenn der Umzug am 15.08. stattfand, der offizielle Stadtgeburtstag ist der 11.08.1315. Zum Anlass ist die erste urkundliche Erwähnung in einem Pachtvertrag genommen worden, da das genaue Datum leider nicht mehr bekannt ist. Wahrscheinlich wurde Sendenhorst um 1310 zur Stadt erhoben. Der Stadtgründer ist der damalige Fürstbischof von Münster, Ludwig II von Hessen. Mit der Erhebung des Kirchdorfes zur Stadt waren strategische Vorteile verbunden. Um dem Grafen Engelbert von der Mark (Hamm), mit dem der Bischof in Fehde lag, einen befestigten Vorposten entgegenzusetzen, wurde Sendenhorst befestigt und dem Kirchdorf die Stadtrechte verliehen. Die nun freien Bürger sollten im Falle einer Verteidigung höher motiviert sein, ihr Hab und Gut und ihre Rechte zu verteidigen. Allerdings wurde das Städtchen 1323 von Graf Engelbert belagert, dann geplündert und niedergebrannt. Von diesem Schlag konnte sich das Städtchen noch schnell erholen.
Es folgten jedoch noch viele weitere Kriege, Seuchen und vor allem Brände, die die Entwicklung nachhaltig beeinflussten. So sind z. B. die Belagerungen und Durchzüge im 30-jährigen Krieg (1618-1648) zu nennen. Der Krieg, der zunächst als Glaubenskrieg zwischen Katholiken und Protestanten geführt wurde, entwickelte sich schnell zu einem Politischen Krieg, bei dem die Religion nur noch eine Nebenrolle spielte. Das zeigt sich deutlich in der letzten Phase des Krieges, als das katholische Frankreich sich mit dem protestantischen Schweden verbündete.
Ein weißer Trennstrich für den Glauben
Sendenhorst war von jeher katholisch, so ist die erste Erwähnung einer Kirche an genau dem heutigen Standort aus dem Jahre 1175 bekannt. Wer nun glaubt, nach dem 30-jährigen Krieg sei die Konfessionsfrage vor Ort geklärt, der irrt. Nach dem 2. Weltkrieg kam es zu einem starken Anwachsen der Stadt bedingt durch die Flüchtlingsbewegungen aus den deutschen Gebieten jenseits von Oder und Neiße. Vereinzelt gab es vorher schon evangelische Mitbürger, nun jedoch wuchs deren Anteil sprunghaft an. Mir ist berichtet worden, dass in den 1950ern und 1960ern ein weißer Trennstrich auf dem Schulhof gezogen wurde, um die evangelischen Schüler von den katholischen Schülern zu trennen. Bei Übertreten der Linie wurden die Schüler mit dem Rohrstock gezüchtigt. Zum Glück sind derlei Diskriminierungen heute nicht mehr existent. Wer weiß schon noch, ob sein Nachbar evangelisch oder katholisch ist?
Gerade im 20. Jahrhundert wurde Sendenhorst auch direkt von weiteren politischen Entwicklungen beeinflusst. So wurde 1977 im Süden das Wohnquartier Garrath errichtet. Hier wurden Spätaussiedler aus Polen und der UDSSR, vornehmlich aber aus Schlesien angesiedelt. Auch hier gab es anfangs Probleme bei der Integration, die heute, fast 40 Jahre später, kaum noch ins Gewicht fallen. Viele meiner Bekannten und Freunde kommen aus dem Garrath, und auch hier ist der Unterschied der Herkunft kaum noch zu erkennen.
Natürlich nimmt man einen gewissen Akzent aus der damaligen Heimat mit, wenn man bedenkt, dass Deutsch als Sprache in Polen und der damaligen UdSSR (Bund von Staaten in Ost-Europa mit Russland als Führungsmacht, bis 1990) quasi verboten war. Diese Mitglieder unserer Gemeinde bilden heute einen wichtigen Bestandteil unserer Stadt-Land-Gesellschaft.
Ein Schützenkamerad aus dem Garrath sagte beim letzten Schützenfest augenzwinkernd zu mir: »Wir waren Eure genetische Rettung«. Meine Mutter kommt ebenfalls aus der ehemaligen Hauptstadt Schlesiens, Breslau, allerdings schon kurz nach dem Krieg. Meine Großeltern aus Schlesien haben hier gebaut und sind hier begraben. Sie haben sich ebenfalls sehr wohl in ihrer neuen Heimat gefühlt.
Das Zusammenleben weiter stärken
Bild: Der neue Springbrunnen vor der Sparkasse
Es ist es ja auch egal, ob jemand Poahlbürger oder Zugezogener ist. Dabei sollte auch die Nationalität oder die Religion keine Rolle spielen. Wichtig ist nur, dass wir hier zusammen sagen können: Ich lebe gerne in Sendenhorst! Was ist eigentlich ein Poahlbürger? Damit ist jemand gemeint, dessen Familie hier schon mehrere Generationen vor Ort lebt. »Sitzen auf einem Poahl = Pfahl,
Baumstamm«
Und unser Zusammenleben muss weiter gestärkt werden. Dazu kommt der Ortsteil Albersloh, mit dem wir seit 1975 verbunden sind. Warum, das habe ich während meiner Geschichtsforschung nicht ergründen können, aber auch das ist ja gar nicht wichtig. Gegenseitig voneinander lernen und profitieren, das ist wichtig. So beneide ich meine Albersloher Mitbürger um ihren Heimatsinn, ihr Albersloh-Lied und um die schöne Werse. Wobei die auch nicht immer schön war, so z. B. noch in den 1980ern, als es in Ahlen noch die Kokerei gab und Umweltschutz noch nicht den gesellschaftlichen Stellenwert besaß wie heute, aber das ist eine andere Geschichte.
Schaue ich auf den Bürger- und Schützenwald (Begründet 1989), auf unser Naturschutzgebiet Hardt, auf unseren wunderschönen Promenadenring, dann kann ich ebenfalls sagen: Ja, hier ist es grün und schön! Und auch die Stadt hat viel zu bieten: So unsere Kirche St. Martin, Hs. Siekmann und die erhalten gebliebenen Fachwerkhäuser, denn nicht alles ist während der Stadtsanierung (1970er) untergegangen, und nicht alles war vorher wirklich schön hier. Ganz aktuell ist die Öffnung des Judenfriedhofes auf dem ehemaligen Stadtwall, eine absolute Bereicherung unserer Stadt. Ich kenn ihn nur verschlossen. Die Innenstadtverschönerung scheint ebenfalls gelungen, besonders der Spielplatz, der Brunnen und die Bänke. Falls die Umgehungsstraße vielleicht 2020 kommt, muss natürlich neu überlegt werden, wie die nördliche Kirchstraße und die Schulstraße umgestaltet werden könnten. Der 1. Eintrag zum Thema Umgehungsstraße findet sich übrigens schon 1951 im digitalen Stadtarchiv des Heimatvereins.
Auch die Wiedereröffnung der Westdeutschen Landeseisenbahn / 2018/19? / für den Personennahverkehr wird eine Bereicherung für Sendenhorst und Albersloh bedeuten. Die Stadt hat sich entwickelt und natürlich auch die Bevölkerung. So sind Bürger vieler Nationen zu uns gekommen, die Veränderungen und Impulse bringen und gebracht haben.
Besonders hervorzuheben sind unsere vielen starken Vereine, die hier aufzuzählen und zu beschreiben, den Rahmen sprengen würde. In den Vereinen, in denen ich tätig bin, sind jedenfalls alle Menschen willkommen! Auch wenn wir noch viel mehr Gemeinsinn benötigen: Das Zusammenleben vieler unterschiedlicher Gruppen und Menschen macht uns stark und lässt uns auf eine eine gute Zukunft und eine noch schönere 750-Jahr-Feier im Jahr 2065 hoffen!
Bild: Der wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemachte jüdische Friedhof auf dem ehmaligen Stadtwall.